Proteo Laurenti 10 - Scherbengericht by Veit Heinichen

Proteo Laurenti 10 - Scherbengericht by Veit Heinichen

Autor:Veit Heinichen [Heinichen, Veit]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


Kaum hatte er nach dem Mittagessen in der Comunità von Don Alfredo den Abwasch erledigt, bestieg Aahrash den Bus zum Stadtzentrum. Auch im neuen Lokal war am Morgen das Geschirr angeliefert worden und musste gereinigt werden, und beim Einräumen würde er sich ein funktionales System für den Alltag ausdenken müssen. Alles musste stets in Griffweite sein, Besteck und Gläser näher an den Gästen, Teller und Schüsseln sowohl in der Nähe der Kochstelle als auch des Nassbereichs. Alles musste möglichst schnell gereinigt werden, sobald ein Gast seine Mahlzeit beendete. Der Restposten, den Athos beim Großhändler erstanden hatte, umfasste gerade dreimal so viel Geschirr, wie Gäste im Laden Platz hatten. Sie würden nur zu zweit arbeiten, da der Raum schon für eine weitere Hilfe zu eng war, trotzdem musste sich der kontinuierlich anfallende Abwasch in den vier Stunden zwischen elf und fünfzehn Uhr, wenn die meisten Gäste kamen, irgendwie erledigen lassen. Die Vorbereitungen würden bereits am Morgen erledigt sein, das Gemüse geputzt und das Fleisch verarbeitungsfertig zerteilt. Dem Koch war es sogar gelungen, Aahrash davon zu überzeugen, während der Arbeit Schweinefleisch anzufassen. Während der Bus die lange Via Flavia hinauffuhr und sich allmählich dem Zentrum näherte, dachte er darüber nach, wie viele Rezepte er noch beisteuern könnte, ohne dass man ihrem Restaurant einen geografischen Stempel aufdrücken konnte. Athos hatte gesagt, man limitiere sich selbst, wenn man sich zu sehr auf eine Region konzentrierte, auch wenn es noch so viele kostengünstige vegetarische Rezepte mit überreifem Gemüse aus der Küche Süd- und Vorderasiens gebe, von denen Aahrash ihn zu überzeugen versuchte. Sie einigten sich schließlich, je nach verfügbaren Zutaten täglich eines oder maximal zwei seiner Gerichte mit auf die Karte zu nehmen. Aber sie mussten auf alle Fälle vermeiden, mit Adjektiven wie indisch, asiatisch oder türkisch in eine Ecke gedrängt zu werden.

In der Viale D’Annunzio füllte sich der Bus immer mehr, und als ein martialisch gekleideter, schlaksiger Typ zustieg, der die anderen überragte, erschauderte Aahrash. Seit einem Jahr, seit er zurück in Triest war, fürchtete er sich davor, wieder den selbst ernannten Ordnungshütern zu begegnen. Der magere Kerl, der nur wenige Meter weiter vorn stand, war knapp vierzig Jahre alt, trug trotz der Kälte eine ärmellose Lederjacke, aus der seine tätowierten dünnen, aber muskulösen Arme ragten, und er trommelte mit den Fingern nervös gegen die Seitenscheibe und stieß laut Beleidigungen aus gegen jeden, der ihm nicht behagte. Immer wieder schaute er sich streitlustig unter den Fahrgästen um, die alle seinem Blick auswichen. Umso mehr Leute vorn zustiegen, desto näher wurden die im Mittelgang stehenden Fahrgäste auf Aahrash zugedrängt, der einen Sitzplatz ganz hinten hatte. Drei Reihen trennten ihn von der Tür, dazwischen pferchten sich die Menschen so eng, dass an ein schnelles Aussteigen nicht zu denken war. Aus dem Augenwinkel erkannte er, dass der Provokateur ihn die ganze Zeit anstarrte. Noch waren zu viele Fahrgäste an Bord, Aahrash war sich sicher, der andere hätte ihn angegriffen, wären sie allein gewesen – oder er selbst wäre der Attacke zuvorgekommen. Der Pakistaner war zwar nicht besonders groß, aber er war es gewohnt, körperliche Arbeit zu verrichten, und schnell von Begriff.



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